Wurdest auch Du von Deiner Mutter zu einer Frau erzogen, die sich unter gar keinen Umständen finanziell von einem Mann abhängig machen soll? Willkommen im Club. Heute schauen wir uns diese Geldblockade einmal genauer an.
In meiner Verwandschaft mütterlicherseits gibt es einige Frauen, die finanziell vollkommen abhängig sind von ihren Männern. Und eine, deren Naivität in Sachen Geld von ihren Partnern bisher immer ausgenutzt wurde.
Immer wieder warnte mich meine Mutter davor, bloß nicht so wie A, B oder C zu werden. In variablen Situationen, an verschiedensten Beispielen präsentierte sie mir die Fehler all dieser Frauen, die teilweise auch ihre eigenen waren. Auf dass ich aus ihnen lernte.
Und lange, lange Zeit dachte ich, das wäre nur so, weil es da diese Frauen in meinem Umfeld gibt, die als Negativbeispiele herhalten konnten.
Und dann stieß ich heute auf diesen Artikel auf Edition F. Eine junge Frau beschreibt, dass und wie sie versagt hat. Wieso? Sie hat bereits ein Kind, ist schwanger mit Nummer 2 und die Regelung über ihre neue Arbeitszeit, die bereits in trockenen Tüchern schien, ist plötzlich nicht mehr realisierbar. Sie steht ohne Job da.
Beim Lesen treiben mir ihre Worte beinahe die Tränen in die Augen. Sie schreibt: „(…)ich hab es immer noch nicht über mich gebracht meinen Eltern zu erzählen, dass ich keinen Job mehr habe. Weil sie enttäuscht von mir wären. Weil sie es so wichtig finden als Frau für sich selbst sorgen zu können. Genauso wichtig, wie ich es finde.“
Sei selbstständig, unabhängig und mach Dich ja nicht von einem Mann abhängig
Wir Gen-Y-Frauen wollten von unseren Müttern zu Frauen erzogen werden, die für sich selbst sorgen können. Und in ihrem Eifer sind sie häufig weit über’s Ziel hinausgeschossen.
Sie haben in vielen von uns eine Scham installiert und ausgeprägt, die bewirkt, dass Du
- nicht zugeben willst, dass Dein Partner besser verdient und deshalb einen höheren Anteil der Miete bezahlt, als Du selbst,
- nicht eingeladen werden willst, Du kannst schön selbst bezahlen,
- niemandem erzählen möchtest, dass Du gerne heiraten und vielleicht sogar Kinder kriegen und *gasp* mit diesen Kindern auch viel Zeit verbringen willst, solange sie klein sind (biste keine Feministin oder was?)
- das Unwort, das mit H beginnt und mit ausfrau aufhört, in den Mund nimmst (Verräterin! Nachdem wir Frauen für all das gekämpft haben!)
- als erwachsene Frau vor den Menschen, die Dich gezeugt und groß gezogen haben verschweigst, dass Du keinen Job mehr hast, aus Angst vor ihrer Reaktion (Deinen unabhängigen Freundinnen aber auch nichts erzählst!)
- genauso wie ein Mann behandelt werden willst und Dich im Gegenzug auch genauso benimmst wie einer (weil Weiblichkeit in den Köpfen vieler Frauen immer noch mit Schwäche gleichgesetzt ist)
- lieber schlaflose Nächte und panische Angst aushältst, als Deinem Partner offen zu sagen, dass Du seine Unterstützung brauchst, seelisch, moralisch, finanziell – wie auch immer.
Was Du wirklich gelernt hast, ist nicht selbstständig, unabhängig und stark zu sein.
Was Du wirklich gelernt hast, sind:
Übernommene Muster, die Dich blockieren
Viele der vermeintlich feministischen Muster, die Du eingeimpft bekamst – sei es aus einer Sorge heraus, Du könntest die gleichen Fehler machen oder dem Wunsch heraus, Dir möge es mal besser gehen – sind tatsächlich nichts weiter als Limitierungen, die Du akzeptieren gelernt hast.
Was ich mir – für die junge Frau aus dem Artikel, für die Kommentatorinnen, für Dich und für mich – wünschen würde, ist, dass ein Umdenken stattfindet.
Ein Perspektivenwechsel ist angebracht. Weißt Du, ich verstehe es. Denn natürlich hast Du da diesen unbändigen Wunsch danach, auf eigenen Füßen zu stehen und selbst zu bestimmen. Den Wunsch danach, Dein Leben so zu leben, wie Du Dir das vorstellst, Deine Träume zu verwirklichen und Dich zu einer Priorität zu machen. Nichts läge mir ferner, als Dir (und mir!) das abzusprechen.
Du wirst mich auch nicht sagen hören, dass Du das sein lassen oder bitteschön zu einer trophy wife werden sollst, die sich ins gemachte Nest setzt, die Kontrolle über ihr Geld an der Haustür abgibt und sich darauf verlässt, ihr Partner würde das schon richten. (Außer ihr beide wollt das und es ist eure gemeinsame Entscheidung, dann tobt euch aus!)
Augenhöhe statt Abhängigkeit
Das große Problem ist aber, dass Du euch beiden (!) durch diese Geldblockade die Handlungsfähigkeit und das Abschätzen der Tragweite eurer Entscheidungen absprichst.
Statt Deinen Partner als gleichberechtigten Menschen auf Augenhöhe zu behandeln, der selbst entscheiden kann, ob er Dich mit seinem Geld unterstützen möchte (etwa beim Aufbau Deines Nebeneinkommens), betrachtest Du ihn als jemanden, der darauf hinarbeitet, Dich von sich abhängig zu machen. Mit Hintergedanken statt bedingungslos.
Dir selbst nimmst Du dadurch übrigens auch noch die Möglichkeit, in Zukunft selbst der Partner zu sein, dessen Einkommen den anderen mitfinanziert. Denn wenn Du noch nicht mal von dem Menschen empfangen kannst, den Du am meisten liebst, wie sollst Du es dann von Deinen Kunden können?
Für mich war es lange Zeit ein viel größeres Problem, dass der Mann während seines Studiums auf mein Gehalt angewiesen war, als für ihn. Zu laut schrillten in meinem Kopf die Alarmglocken. Hatte meine Mutter mich nicht immer gewarnt? Hatte ich nicht gesehen, was aus dieser Frau in meinem Umfeld geworden war, wie ihre Partner sie ausgenommen hatten wie eine Weihnachtsgans?
Aber ich stand zu meinem Wort und zu meinem Wunsch, ihm das Studium zu ermöglichen. Gemeinsam zogen wir an einem Strang und ich investierte in unsere gemeinsame Zukunft.
Ich vertraute. Ihm, mir und meinem Urteilsvermögen.
Momentan hat sich das Blatt wieder gewendet und trägt er einen größeren Teil der Kosten. Er arbeitet Vollzeit, während ich mein Business aufbaue. Auch das war für mich erst einmal wieder der krassere mindfuck, als für ihn.
Inzwischen habe ich aber verstanden, dass er mich unterstützen möchte beim Wahrmachen meiner Träume. Nicht, um eine Abhängigkeit aufzubauen, sondern aus bedingungsloser Liebe, die abgetrennt ist von allen Finanzen.
Auf Augenhöhe und im Vertrauen, dass es eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft ist.
Mein Wunsch ist es, dass Du auf Dein Bauchgefühl hörst, auf Dein Herz, statt nur auf Deinen Kopf. Mach Dich nicht abhängig, begib Dich auf Augenhöhe.
Wie siehst Du das, meine Liebe?
Ist die „Abhängigkeit“ von (D)einem Partner ein Problem für Dich? Wie hättest Du an der Stelle der jungen Frau aus dem Artikel reagiert?
Claudia Heipertz meint
Liebe Andrea,
mit diesem Beitrag sprichst du ein wichtiges Thema an. Es war auch schon in der Generation vorher deutlich spürbar. Für mich wurde durch die Emanzipationsbewegung ein falsches Bild von Freiheit vermittelt. Aus dem Kampf dieser Frauen sprach der Schmerz aus Jahrhunderte langer Einschränkung. Ich bin in den 1960er Jahren geboren und kenne das auch. So manche Frau traut sich heute kaum mehr, nur Hausfrau und Mutter zu sein, auch wenn sie es im Herzen gern wollte. Es fühlt sich an, als wäre es falsch. Wir haben gelernt unabhängig zu sein aber nicht, wie wir wirklich frei sind. Für mich beginnt die wahre Freiheit da, wo Menschen in Beziehung sind und sich miteinander auf Augenhöhe begegnen. Wenn sie darüber sprechen, wie sie leben wollen unabhängig davon, welche Lebenskonzepte sie miteinander aushandeln und wer die Rechnungen bezahlt.
Es scheint die Aufgabe dieser Zeit zu sein, dass wir uns aus dieser beengenden Denke befreien. Es könnte die „Emanzipation“ beider Geschlechter bedeuten, wenn es darüber keine stereotypen Rollenvorbilder mehr geben würde.
Alles Liebe
Claudia
Andrea meint
Liebe Claudia,
hab ganz herzlichen Dank für Deinen wunderbaren Kommentar!! „Für mich beginnt die wahre Freiheit da, wo Menschen in Beziehung sind und sich miteinander auf Augenhöhe begegnen. Wenn sie darüber sprechen, wie sie leben wollen unabhängig davon, welche Lebenskonzepte sie miteinander aushandeln und wer die Rechnungen bezahlt.“
Das bringt es SOSOSOSOSO auf den Punkt.
Und ja, ich glaube auf jeden Fall, dass das unsere Aufgabe ist. Ich möchte das auf jeden Fall meinen Töchtern und Söhnen so vermitteln 🙂
Ach, vielen lieben Dank nochmal!
Liebe Grüße
Andrea